Im Jahr 2024 habe ich den Gemeinde- und Stadtschreibern in den Kantonen Aargau und Zürich folgende Fragen gestellt:
«Führt Ihr Austrittsgespräche mit Mitarbeitenden, die die Verwaltung verlassen? Sind diese Gespräche obligatorisch? Sind sie in einen Offboarding-Prozess eingebunden? Wer führt diese Gespräche durch?»
Ich bin der Ansicht, dass die Privatwirtschaft hier ganz ähnlich vorgeht.
❓ Warum habe ich diese Fragen an die «CEO» der Verwaltungen gerichtet? Der Grund ist simpel: Die Mitarbeitenden sind die wichtigste Ressource einer Verwaltung – Ist sie auch Chefsache ❓
Man könnte vermuten, dass es klare Vorgaben von Bund oder Kanton gibt, die regeln, wie mit austretenden Mitarbeitenden umzugehen ist. Das ist jedoch nicht der Fall, und entsprechend fallen die Antworten auf diese Fragen ganz unterschiedlich aus.
Da ich die Umfrage persönlich per Teams durchführe, kann ich oftmals anhand der Reaktionen und Aussagen erkennen, ob die Antworten etwas «geschönt» sind. Aus diesem Grund könnten die Statistiken des Berichts (im nächsten Post) etwas zu hohe Werte aufweisen.
Eine allgemeine Frage könnte auch lauten: Gibt es einen strukturierten Offboarding-Prozess, etwa in Form einer Checkliste, wie es ihn beim Onboarding in den meisten Verwaltungen bereits gibt?
Lass uns die Verwaltungen in kleine, mittlere und grosse Einheiten unterteilen.
𝙆𝙡𝙚𝙞𝙣𝙚 𝙑𝙚𝙧𝙬𝙖𝙡𝙩𝙪𝙣𝙜𝙚𝙣
In kleinen Verwaltungen gibt es teilweise in einem oder sogar mehreren Jahren überhaupt keinen Personalwechsel. Die wenigen Austritte kann der Gemeindeschreiber, der häufig auch für das Personal verantwortlich ist, selbst gut im Griff haben. Die Nähe zu den Mitarbeitenden und die überschaubare Anzahl an Austritten machen es ihm leicht, den Überblick zu behalten.
𝙈𝙞𝙩𝙩𝙡𝙚𝙧𝙚 𝙑𝙚𝙧𝙬𝙖𝙡𝙩𝙪𝙣𝙜𝙚𝙣
In mittelgrossen Verwaltungen liegt die jährliche Fluktuation bei etwa 10%, was bedeutet, dass zwischen 3 und 12 Mitarbeitende pro Jahr ersetzt werden müssen. Hochgerechnet auf fünf Jahre sind das bereits bis zu 60 Mitarbeitende. Hier könnten strukturiert durchgeführte Austrittsgespräche oder Fragebögen wertvolle Tendenzen aufzeigen. Allerdings ist der Gemeindeschreiber auch hier meist gleichzeitig HR-Leiter und als Generalist in vielen anderen Bereichen stark eingebunden. Auch wenn man sich dessen bewusst ist, gehen viele davon aus, dass sie die Gründe für die Kündigungen kennen, weil sie mit allen Mitarbeitenden in engem Kontakt stehen.
Oft übernehmen die Bereichsleiter die Austrittsgespräche, was aufgrund von Zeitdruck und Aufgabenverteilung nicht ideal ist. In einigen Fällen ermöglichen es die Mitarbeiterzahlen bereits, dass HR-Fachleute (häufig in Teilzeit) eingestellt werden, welche die professionellen Abläufe sicherstellen können. Doch obwohl selbst bei 5 Mitarbeitenden eine Lohnsumme von CHF 400'000.-- erreicht wird, was einen erheblichen Verlust bei Abgängen darstellt, gibt es keine klaren Berechnungen dazu. Auch die häufig bemängelten, teuren Springereinsätze werden erstaunlicherweise oft nicht mit der Rekrutierungskostenfrage in Verbindung gebracht. Trotzdem gibt es in den meisten Verwaltungen weder einen einheitlichen Fragebogen noch eine systematische Auswertung der Austrittsgespräche.
Ein CEO eines grossen Konzerns sagte einmal: «Ich bin eigentlich HR-Leiter mit erweiterten Aufgaben. Es ist mir letztes Jahr gelungen, die Fluktuation zu senken, und das besonders bei unseren Wissensträgern.» Das zeigt die Wichtigkeit von allen Massnahmen im Mitarbeiterbereich. In mittelgrossen Verwaltungen wird der Fachkräftemangel bereits deutlich spürbar, und Austrittsgespräche können helfen, wertvolle Erkenntnisse zu sammeln.
𝙂𝙧𝙤𝙨𝙨𝙚 𝙑𝙚𝙧𝙬𝙖𝙡𝙩𝙪𝙣𝙜𝙚𝙣
Grosse Städte und Gemeinden haben in der Regel eigene HR-Abteilungen. Die verschiedenen Fachbereiche werden von spezialisierten Bereichsleitern betreut, die sich in ihrem jeweiligen Gebiet auskennen. Hier wird der Gemeindeschreiber von der Führungskraft zu einem Leader, der die Chance hat, die Verwaltung aktiv in die Zukunft zu führen – eine Aufgabe, die teilweise intensiv verfolgt wird. Trotz der breiten Belastung gibt es auch in den mittleren und kleinen Gemeinden Leader Persönlichkeiten mit Visionen, damit das auch erwähnt sei.
In grossen Verwaltungen sind die HR-Prozesse durchgängig und Austrittsgespräche werden von neutralen, geschulten HR-Mitarbeitenden geführt. Bei einer Fluktuation von 10% müssen jedoch auch hier 30 bis 50 Mitarbeitende pro Jahr ersetzt werden. Der Fachkräftemangel ist spürbar, aber grosse Verwaltungen können Mitarbeitenden oft interne Karrieremöglichkeiten bieten, was ihnen bei der Rekrutierung hilft. Das Monitoring, also die systematische Analyse der Fluktuation und das Ableiten entsprechender Massnahmen, wird aber noch nicht überall durchgeführt. Einige Verwaltungen haben dies jedoch bereits als Projekt auf dem Plan.
Sind Austrittsgespräche obligatorisch?
Hier scheiden sich die Geister. In grossen Verwaltungen sind Austrittsgespräche fest im Offboarding-Prozess verankert und werden vom HR durchgeführt oder kontrolliert. Bei mittleren und kleinen Verwaltungen hingegen wird den Gesprächen oft weniger Bedeutung beigemessen. Je nach Erfahrung und Interesse des Bereichsleiters fallen sie mal mehr, mal weniger ausführlich aus.
❗️ 𝙑𝙚𝙧𝙥𝙖𝙨𝙨𝙚 𝙣𝙞𝙘𝙝𝙩 𝙙𝙚𝙣 𝙣𝙖̈𝙘𝙝𝙨𝙩𝙚𝙣 𝙋𝙤𝙨𝙩 meiner 2-teiligen 𝙎𝙚𝙧𝙞𝙚: Austrittsgespräche - Die richtigen Fragen stellen - Erfolgreiche Austrittsgespräche durchführen ❗️
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